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Gedankenreise durchs Jahr, das kommende Jahrzehnt und die Jahrhunderte

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Über René bin ich auf den Spiegel-Artikel von 1977 gestoßen. Darin steht der Satz:

Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten in Bonn, [sic] gedenkt die Musikbranche des Tages, an dem der Erfinder Thomas Alva Edison vor 100 Jahren zum erstenmal „Mary Had A Little Lamb“ auf eine Tonkonserve sang.

»Nanu,« dachte ich, »das kommt mir aber bekannt vor, habe ich diese Tonkonservengeschichte nicht kürzlich noch in einer Hausarbeit angerissen? Aber ja doch, und ich habe doch sogar schon einen Sprechstundentermin mit der Dozentin vereinbart, um die Arbeit durchzugehen. Wann war der noch? Mhm, mal im Kalender nachschauen.
Seltsam, steht nichts drin. Also kurz die E-Mail finden, in der sie das Datum genannt hat. Ah, das ist sie ja. Mhm, 21.12. Welchen haben wir denn heu… Waaaas, 23.? Warum stand das nicht im Kalender? Ach, stimmt, da ist noch eine Mail, sie hat die Sprechstunde ja ins Neue Jahr verschoben. Also schnell in den Kalender eintragen, bevor ichs wirklich verpasse.
Oh, der andere Termin ist aber ungünstig, warum ist mir das denn nicht früher aufgefallen? Muss ich sie wohl mal anschreiben, ob sich das verschieben lässt. Jetzt vor Weihnachten ist allerdings blöd, sie schaut ja sicher nicht über die Feiertage ihre E-Mails nach – und dann geht meine Mail anschließend bestimmt unter. Kann ich ja dann nächstes Jahr in einem Wusch mit den Klausuranmeldungen abarbeiten. Ach, stimmt, da muss ich ja auch noch ein paar Dokumente zusammensuchen. Die müssten in dem einen Ordner sein. Wo war der noch? Ich glaub, den habe ich auf die externe Festplatte ausgelagert. Hm, habe ich die Sachen nicht noch irgendwo ausgedruckt rumfliegen? Könnte drüben bei den Schallplatten sein. Oh, ich muss dran denken, morgen die Bing-Crosby-Platte aufzulegen. Überhaupt hab ich schon wieder viel zu lange keine Platte aufgelegt. Würde sich doch jetzt anbieten. Was haben wir denn da? Ah, was könnte zum Ende dieses Jahres besser passen als ›Thriller‹?«
Also legte ich »Thriller« auf und genoss den immer noch superben Sound, als mir wieder einfiel, wie ich denn überhaupt in die aktuelle Situation gekommen war: durch einen Spiegel-Artikel von 1977, der so beginnt:

Die Musikbranche feiert den 100. Geburtstag des Tonträgers und wagt sich nicht einzugestehen, daß das „Jahrhundert der Schallplatte“ zu Ende geht.

Im Folgenden wird dann der Siegeszug der Tonband-Kassette beschrieben.
Wenn alle Vorhersagen so zutreffend wären, bräuchten sich die Verlage ja nicht vor der kommenden Dekade fürchten, über die so mancher Verlagsmanager jetzt schon rumheult, dass in ihr aufgrund des Medienwandels so manche Zeitung zum letzten Mal erscheinen wird, wenn nicht die bösen, bösen Nicht-mehr-Leser staatlicherseits dazu gezwungen werden, Totholz zu kaufen.

Über Tonband-Kassetten spricht kein Mensch mehr; die Schallplatte ist aktuell wie eh und je. Warum? Weil die Menschen Beständigkeit und Qualität schätzen und dafür bereit sind, etwas zu bezahlen. Da habt ihrs, Verlage: Beständigkeit und Qualität. Frohes Fest.


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